Du und die Sehenden

„Meine Blindheit macht mich nicht traurig, sehende Mitmenschen manchmal schon.“

Bei der Zusammenstellung der folgenden Sätze fiel mir neben dieser Doppeldeutigkeit auf, wie sehr Blindheit auch eine soziale Behinderung ist. Das war mir vorher nicht so klar.

Zugehörige Seiten:
Was Sehende über Blindheit denken: Ergebnisse einer Studie aus den USA, ergänzt mit meiner eigenen Meinung.
Experiment: Spontane Begriffsnennungen Sehender beim Thema Blindheit

#Dubistblind, aber alleine in deiner Wohnung fühlst du dich meistens garnicht blind.
#Dubistblind, wenn du außerhalb deiner Wohnung nie weißt, ob du vielleicht gerade beobachtet wirst.
#Dubistblind, wenn sogar Anfänger dich leicht stalken können.

#Dubistblind, worauf Kinder gern lautstark hinweisen und die Eltern dann peinlich berührt „Psst“ flüstern.
#Dubistblind, wenn Sehende instinktiv denken, dass du neidisch auf sie sein müsstest und sie sich in deiner Nähe daher oft etwas unbehaglich fühlen.
#Dubistblind, wenn du Sehende an ihre Angst vor der Dunkelheit erinnerst.
#Dubistblind, wenn du mitleidige und neugierige Blicke wenigstens nicht sehen musst.

#Dubistblind, wenn Menschen in deiner Gegenwart Angst haben, etwas Falsches zu sagen.
#Dubistblind, wenn Menschen dir auf dem Bürgersteig ausweichen, indem sie sich stumm flach an die Hauswand drücken.
#Dubistblind, wenn man dich manchmal behandelt, als wärst du leicht zerbrechlich und auch noch schwerhörig, gehbehindert und debil.
#Dubistblind, wenn Sehende zu dir aus Versehen auch schon mal sowas wie „wär ich blind, würd ich mich umbringen“ gesagt haben.

#Dubistblind, wenn Leute dich manchmal dafür loben, „wie toll du die Treppe runtergehen kannst“.
#Dubistblind, wenn du Leute von hinten anrempelst und die sich dann bei dir entschuldigen.
#Dubistblind, wenn dir Leute in öffentlichen Verkehrsmitteln ihren Platz anbieten, obwohl sie ihn selber brauchen.

#Dubistblind, wenn andere in dir oft einen Superhelden oder eine arme Sau sehen. Nichts dazwischen.
#Dubistblind, wenn deine Mitmenschen dich oft bewundern, bemitleiden oder bevormunden. Gerne auch gleichzeitig.
#Dubistblind, wenn fremde Menschen dir sagen, dass sie für dich beten wollen oder dass sie dich inspirierend finden.

#Dubistblind und viele vermuten, du würdest ein Musikinstrument spielen und hättest das absolute Gehör.
#Dubistblind und manche glauben, du hättest extrem hochentwickelte Sinne und übersinnliche Begabungen wie das dritte Auge oder andere esoterische Fähigkeiten.
#Dubistblind und alle denken, du könntest kein Wässerchen trüben.
#Dubistblind und viele können sich anfänglich kaum vorstellen, dass du auch Alkoholiker, Richter, Betrüger, Journalist, Gewalttäter, Familienoberhaupt, Leistungssportler, Programmierer, Politiker, Dieb, Lehrer, ganz normal sein könntest.

Dubistblind, wenn sich immer mal wieder jemand plötzlich ohne Ankündigung deine herunterhängende Hand schnappt, um sie zu schütteln.
Dubistblind, wenn du jemand die Hand geben willst und man hält dir linkisch den Ellenbogen oder die falsche Hand hin, weil die richtige belegt ist, was du aber nicht weisst.

#Dubistblind, wenn du gerade voller Tatendrang bist, aber wegen einer Kleinigkeit allein nicht weiterkommst und kein Sehender ist da, um dir kurz zu helfen.
#Dubistblind, falls du selten sehende Hilfe findest, wenn du sie gerade brauchst, dir andere aber oft helfen wollen, wenn bei dir alles OK ist.
#Dubistblind, wenn Sehende anderen gerne davon erzählen, wie sie dir geholfen haben.
#Dubistblind, wenn du dich über unauffällige Hilfe freust.
#Dubistblind, wenn deine Möglichkeiten und Grenzen von deinen sehenden Mitmenschen abhängen.

** Geschrieben von Per Busch, veröffentlicht im Oktober 2017 **

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